Dienstag, 19. Dezember 2006

Ohren sehend machen (2)

Die bildhafte Rede hat sich anscheinend nicht nur für Prediger als hilfreich erwiesen. Auch das Beispiel eines Anwalts, der diese "Technik" zur Perfektion gebracht hat, zeigt, dass das Gefühl in menschlichen Entscheidungsprozessen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt.

Es ist in diesem Zusammenhang interessant, daß Clarence Darrow, ein selbstbewußter Atheist und erfolgreicher Verteidiger bei Kriminalprozessen, seine Technik im Gerichtssaal auf die gleiche Voraussetzung gründete, daß nämlich das Gefühl und nicht der Verstand den stärksten Antrieb zum Handeln liefert. "Das Wichtigste ist, den Richter dahin zu bringen, daß er schließlich selbst den Wunsch hat, die Dinge nach deiner Art zu entscheiden. Ist das erreicht, dann stoße ihn auf einen Paragraphen des Gesetzes, kraft dessen er das von dir Gewünschte tun kann." Darrows Siege im Gerichtssaal sind in den ganzen Staaten bekannt geworden. Sie stellen unter Beweis, daß seine Einsicht in die menschliche Natur klug und richtig ist.

(MARSHALL, CATHERINE: Ein Mann namens Peter, Konstanz: Christliche Verlagsanstalt, 1989, S. 149)

Es lässt sich nicht leugnen, dass hier die Gefahr der Manipulation besteht. Wenn man bewusst versucht (ob als Anwalt oder als Prediger), Menschen mit Hilfe ihrer Gefühle zu bestimmten Handlungen oder Überzeugungen zu bewegen, dann ist das sicherlich der falsche Weg. Falsch wäre es aber auch anzunehmen, dass Entscheidungen nur mit dem Verstand gefällt werden. Allein mit Argumenten von der Wahrheit überzeugen zu wollen, nimmt keine Rücksicht auf die menschliche Natur.

Auch Jesus hat mit Hilfe von Bildern und Vergleichen den Zuhörern zum Teil sehr komplexe Zusammenhänge nahe gebracht. "Nahe gebracht" kann man durchaus wörtlich verstehen. Denn Jesus hat aufgezeigt, inwieweit persönliche Überzeugungen und Handlungen mit der göttlichen Wirklichkeit in Beziehung stehen. Durch seine Beispiele hat Jesus Einsicht geschaffen. Darum allein geht es: Die ewige Wahrheit einsichtig zu machen, so dass der Hörer sie sehen und spüren kann und es ihm leicht fällt, sie auf sein Leben anzuwenden.

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